Tag der Reichsgründung

Wir schreiben das Jahr 1871. Die deutschen Fürsten und einige Generäle der siegreichen Armee versammeln sich im Spiegelsaal des Schlosses des französischen Sonnenkönigs. Der König von Württemberg trägt dem König von Preußen die deutsche Kaiserkrone an. Der König von Bayern ist nicht anwesend, aber er hat diesen Akt schriftlich vorgeschlagen, für ein paar Millionen, mit denen er Schlösser bauen wird. Wilhelm von Preußen nimmt an, Hochrufe erschallen, das kleindeutsche Reich ist gegründet. Kleindeutsch? Ja, ohne Österreich, ohne den Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn, denn das wäre die großdeutsche Lösung gewesen. Nicht das Haus Habsburg, die Hohenzollern bestimmen ab jetzt die Geschichte Deutschlands. Und ein Reichskanzler
namens Otto von Bismarck.

68 Jahre zuvor, 1803, hatte das erste Deutsche Reich aufgehört zu existieren, das Heilige Römische Reich Deutscher Nation. Heute fährt zwischen Würzburg und der 1930 eingemeindeten Stadt Heidingsfeld eine Straßenbahn, bis 1803 gab es eine Zollgrenze, war die freie Reichsstadt Heidingsfeld für die fürstbischöflichen Würzburger Ausland, obwohl beide zum Reich gehört hatten. Damals wurde der Fleckenteppich des Reiches in größeren Strukturen geordnet, die sich 1815 verfestigten. Ausland war ab jetzt nicht mehr das direkt angrenzende Heidingsfeld, sondern das etwa 30 Kilometer entfernt liegende Wertheim, das nicht mehr zu Bayern gehörte.

Deutschland versank im Biedermeier, der Deutsche wurde unpolitisch, doch das Wartburgfest 1817, das Hambacher Fest 1832 und die gescheiterte Revolution 1848 zeigten , daß die Sehnsucht nach einem einzigen, nach einem deutschen Reich nicht erloschen war. Von der Maas bis an die Memel, von der Etsch bis an den Belt - eine Sprache, eine gemeinsame Kultur, ein Gefühl der Verwandtschaft, der Zusammengehörigkeit. 1866 tobte ein Bruderkrieg, Deutsche töteten Deutsche, damals wurde die Frage ob groß- oder kleindeutsch zu Gunsten Preußens entschieden. 1864 hatte man noch gemeinsam gegen Dänemark gekämpft, 1870 zogen die Deutschen ohne Österreich gegen Frankreich, fochten jenen Krieg, an der ihnen das Reich einbrachte. Das Ausland rückte weit weg, das waren Frankreich, die Schweiz, Österreich, Rußland.

Das Reich war spätberufen, in Teilen rückständig, ein Entwicklungsland, als es gegründet wurde. Geworden ist daraus das fortschrittlichste und produktivste Land der Welt, mit den besten Sozialgesetzen, dem es gelang, seine stetig wachsende Bevölkerung in Arbeit und Brot zu bringen. Das 1871 gegründete Reich dominierte die Wissenschaften , sein Erfindergeist ließ den Reichtum für alle anwachsen. Oh ja, auch dem Arbeiter ging es besser und besser, das wird heute gerne übersehen. Der angebliche Obrigkeitstaat gewährte seinen Bürgern ein Höchstmaß an Freiheit, mehr Toleranz als die Demokratien dieser Zeit. Dank der inneren Ordnung im Reich wußte jeder, an welchem Platz er stand - und jeder konnte an diesem, seinem Platz glücklich und zufrieden leben.

Es sind 142 Jahre vergangen. Merkeldeutschland ist in vielerlei Hinsicht das Gegenbild dieses Reiches. Aus Bürgern, die Gott fürchteten, aber sonst nichts auf der Welt, sind eingeschüchterte Schafe geworden, die sich vor allem fürchten, außer vor Gott. Was das beste Bildungssystem der Welt gewesen war, produziert und duldet heute Analphabeten. Die einst ersehnte Einheit wird leichtfertig für einen multikulturellen Einheitsbrei aufgegeben, in dem nichts eine Kontur behält, sondern alles verblaßt und sich auflöst. Die einstmalige Meinungsvielfalt des Deutschen Kaiserreiches ist in Merkeldeutschland im doppelten Wortsinn zur Meinungseinfalt geworden, in dem die Unwissenheit zur Stärke der Propaganda geworden ist. Was uns als Freiheit eingeredet
wird, ist die geistige Sklaverei der Dauerkonditionierung auf Konsum, um die Ketten nicht zu spüren. Man redet uns ein, wir hätten seit 1945 Frieden, seit 68 Jahren. Doch dieser Frieden ist ein immerwährender Krieg des Bösen gegen das Gute, der Dummheit gegen das Wissen, Merkeldeutschlands gegen das Reich.

Laßt uns an diesem 19. Januar eine Kerze anzünden, auf das wieder
wird, was einmal war, und nicht mehr sein wird, was heute ist.
Nein, das Reich wird nicht mehr zurückkehren, kein Wilhelm oder
Bismarck dem Grab entsteigen.
Was zurückkehrt, wird die höhere Oktave sein,
die noch weiter,
noch höher entwickelte Stufe des Reiches.
Als 1866 der deutsche Bruderkrieg ausgebrochen ist, schien das Reich ferner denn je,
ja unmöglich geworden. Und nur fünf Jahre später wurde es ins Leben gerufen!
Michael Winkler
Tageskommentar 18.01.2013